Im Jahre 1746 wurde Lima, die Hauptstadt Perus, von einem schweren Erdbeben und einem darauffolgenden Tsunami erschüttert, die zusammen etwa ein Zehntel der damaligen 50.000 Einwohner das Leben kosteten. Heute beheimatet Lima etwa 10 Millionen Menschen und steht laut Carlos Zavala, dem Direktor des peruanisch-japanischen Zentrums für Erdbebenforschung und Katastrophenschutz (CISMID), am Rande eines weiteren großen Bebens mit einer möglichen Stärke von bis zu 8,8. Dieses Beben könnte unter den zehn stärksten jemals verzeichneten Erdbeben rangieren. Trotz der Warnungen von Wissenschaftlern und der bekannten seismischen Aktivität des Pazifikraums, scheint es, dass die Stadt und ihre Entscheidungsträger nicht angemessen auf eine solche Katastrophe vorbereitet sind.
Die bauliche Infrastruktur Limas ist besorgniserregend, da schätzungsweise 80 Prozent der Häuser ohne professionelle Architekten oder Ingenieure und ohne behördliche Aufsicht errichtet wurden. Eine Studie von 2009 prognostizierte, dass ein großes Erdbeben bis zu 51.000 Menschenleben fordern, 686.000 Verletzte und 200.000 eingestürzte Gebäude nach sich ziehen könnte. Eine neuere Studie aus dem Jahr 2017 schätzte sogar bis zu 110.000 Todesopfer voraus. Erdbeben sind in Peru keine Seltenheit, und ein Beben im Jahr 2007 sowie ein anderes im Jahr 1970 forderten bereits zahlreiche Opfer und verursachten große Schäden.
Trotz der Dringlichkeit der Situation ignoriert der peruanische Kongress, der mit einer hohen Ablehnungsrate konfrontiert ist und von Korruption sowie Ineffizienz gezeichnet ist, das Problem. Gesetzgeber scheinen mehr darauf konzentriert zu sein, demokratische Institutionen zu untergraben und sich selbst vor Bestechungsermittlungen zu schützen, anstatt die Katastrophenvorsorge zu verbessern. Die neue Präsidentin Dina Boluarte, die eine hohe Zustimmungsrate hat, scheint jedoch in der politischen Krise des Landes gefangen und hat keine klaren Ziele außer dem Festhalten an ihrer Macht bis zu den nächsten Wahlen.
Experten fordern, dass Peru die Bauvorschriften durchsetzt, bestehende Gebäude absichert und sich auf die Folgen einer Katastrophe vorbereitet, wie z.B. überlastete Krankenhäuser und unterbrochene Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln. Währenddessen sind die Feuerwehrleute in Lima engagiert, aber unterfinanziert und die Streitkräfte würden auch von einem solchen Ereignis betroffen sein, so die ehemalige Verteidigungsministerin Nuria Esparch.
Nicht nur Erdbeben, auch andere Naturkatastrophen wie Dürre, durch den Klimawandel bedingte Extremwetterereignisse und das Phänomen El Niño bedrohen Peru. Die Unfähigkeit der peruanischen Behörden, sich angemessen vorzubereiten, ist ein Zeichen sowohl für politische Korruption an der Spitze als auch für Dysfunktionalität auf lokaler Ebene. Bei einem Treffen zur Erdbebenvorbereitung erschien von 43 eingeladenen Bürgermeistern nur einer, ein Umstand, der auf die verbreitete Korruption hinweist.
Lima ist aufgrund seiner geografischen Beschaffenheit eine der erdbebengefährdetsten Städte der Welt, und ohne politische Reformen werden viele der Todesfälle, die ein großes Erdbeben mit sich bringen wird, eher auf menschliches Versagen als auf natürliche Ursachen zurückzuführen sein. Dieser Artikel basiert auf dem Originalartikel des Autors.