Deutschland steht vor einer großen Herausforderung: In diesem Jahr werden voraussichtlich 120.000 Wohnungen weniger gebaut als geplant. Die Ursachen dafür sind vielfältig und nicht alle können von der Politik beeinflusst werden. So sind Immobilienkonzerne zurückhaltend und viele Projektentwickler gleiten in die Insolvenz.

Ein Mangel an Wohnungen, insbesondere in den Großstädten, führt zu steigenden Mietpreisen. Die Regierung hatte ursprünglich das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, aber dieses Ziel wurde bereits im vergangenen Jahr mit nur 282.000 neuen Wohnungen verfehlt. Die Anzahl der Neubauten wird dieses Jahr weiter sinken, und laut der Hans-Böckler-Stiftung könnte diese Zahl im kommenden Jahr sogar auf 200.000 sinken. Reiner Braun, Vorstand der Analysefirma Empirica, geht in einem Interview mit Capital davon aus, dass der Tiefpunkt erst 2025 erreicht wird, wenn alle bereits begonnenen Bauvorhaben abgeschlossen sind und der Rückgang der neuen Projekte am deutlichsten spürbar ist. Experten schätzen den Wohnungsmangel inzwischen auf rund 700.000 Wohnungen.

Es ist aber irreführend, nur die Anzahl der neu zu bauenden Wohnungen zu betrachten, da der Ort, an dem diese Wohnungen gebaut werden, von entscheidender Bedeutung ist. Der Bedarf an Wohnungen ist vor allem in Großstädten und ihren Vororten groß, da es in Deutschland nach wie vor eine starke Tendenz zur Landflucht gibt. Gleichzeitig bedeutet dies, dass viele ländliche Gebiete nicht mit Wohnungsnot, sondern mit Leerstand zu kämpfen haben. Ein weiterer Faktor, der den Mangel an Wohnraum verschärft, ist die Zuwanderung. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind etwa eine Million Flüchtlinge aus Osteuropa nach Deutschland gekommen, dazu kommen reguläre Einwanderer und Asylbewerber.

Ein weiterer Trend ist die Zunahme der Anzahl kleinerer Haushalte, da immer mehr Menschen alleine leben möchten. Dies erhöht nicht nur die Anzahl der Haushalte, sondern auch deren Größe. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person ist von 46,1 Quadratmetern im Jahr 2011 auf 47,7 Quadratmeter im Jahr 2021 gestiegen.

Die Unfähigkeit, diesen Trends durch den Bau von Wohnungen gerecht zu werden, hat verschiedene Gründe. Einer davon ist die Anhebung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) im Sommer 2022, wodurch unter anderem Immobilienkredite teurer werden. Die Kosten für den Bau von Wohnungen steigen ebenfalls, da die Inflation auch vor Baustoffen nicht Halt macht.

Diese Entwicklungen führen zu einem Rückgang der Nachfrage nach Immobilien. Dies betrifft nicht nur private Hausbesitzer, sondern auch große Immobilienkonzerne wie Vonovia, das größte Unternehmen seiner Art in Deutschland. Vonovia hat alle geplanten neuen Wohnungen für dieses Jahr aufgrund der hohen Kosten gestoppt. Andere Projektentwickler stehen vor der Insolvenz.

Die Baukosten sind seit 2017 um rund 52 Prozent gestiegen, so das Statistische Bundesamt. Um diese Kosten zu decken, müssten die Mieten deutlich steigen. „Wir müssten bei Objekten, die wir früher für 12 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, jetzt Richtung 20 Euro gehen“, sagt Daniel Riedl, Vorstand von Vonovia, aber das sei in den meisten Teilen Deutschlands „völlig unrealistisch“.

Dieser Blogartikel basiert auf dem Originalartikel des Autors.

Originalartikel: www.focus.de/immobilien/bauen/tiefpunkt-noch-nicht-erreicht-zinsen-baukosten-buerokratie-warum-in-deutschland-viel-zu-wenig-gebaut-wird_id_235180222.html